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ER Er will, daß über diese Därme dreister Und wenn die Dämmrung blutig quillt am Abend, Er spielt im Haus mit Schlangen, dräut und dichtet, I. Weißglas 1947 (?) - first publ. in "Neue Literatur" (Bucharest), #2 Febr. 1970 |
TodesfugeSchwarze Milch der
Frühe wir trinken sie abends Schwarze Milch der
Frühe wir trinken dich nachts Er ruft stecht tiefer
ins Erdreich ihr einen ihr andern singet und spielt Schwarze Milch der
Frühe wir trinken dich nachts Er ruft spielt süßer
den Tod der Tod ist ein Meister aus Deutschland Schwarze Milch der
Frühe wir trinken dich nachts Paul Celan - first publ. in "Contemporanul" (Bucharest) as "Tangoul mortii", May 2nd 1947 |
Tangoul Mortii
Laptele negru din zori îl bem când e searã
îl bem la amiaz îl bem si la noapte
îl bem si îl bem
sãpãm o groapã-n vãzduh si nu va fi strâmtã
Un om stã în casã se joacã cu serpii si scrie
el scrie-n amurg în Germania, Aurul pãrului tãu Margareta
scrie si iese în prag scapãrã stelele-n cer el îsi fluierã câinii
evreii si-i fluierã el poruncã le dã ca sã sape o
groapã-n tãrânã poruncã ne dã sã cântãm pentru dansLaptele negru din zori te bem când e noapte
la amiazã te bem te sorbim dimineata si seara
te bem si te bem
Un om stã în casã se joacã cu serpii si scrie
el scrie-n amurg in Germania Aurul pãrului tãu Margareta
Cenusa pãrului tãu Sulamith o groapã sãpãm în vãzduh si nu va fi strâmtãEl strigã sãpati mai adânc iar ceilalti cântati
arma o-nsfacã, o fluturã, albastri i-s ochii
sãpati mai adânc iar ceilalti cântati pentru dans mai departeLaptele negru din zori te bem când e noapte
te bem la amiazã si seara te bem
te bem si te bem
un om stã în casã, aurul pãrului tãu Margareta
cenusa pãrului tãu Sulamith el se joacã cu serpii
El strigã cântati mai blajin despre moarte cãci moartea-i un mester german
el strigã plimbati un arcus mai cetos pe viori veti creste ca fumul atunci
veti zace-ntr-o groapã în nori si nu va fi strâmtãLaptele negru din zori te bem când e noapte
te bem la amiaz e moartea un mester german
te bem dimineata si seara te bem si te bem
e moartea un mester german albastri i-s ochii
cu plumbul te împroascã din plin si adânc te loveste
un om stã în casã aurul pãrului tãu Margareta
câinii spre noi si-i asmute ne dãruie-o groapã-n vãzduh
se joacã cu serpii visând e moartea un mester germanaurul pãrului tãu Margareta
cenusa pãrului tãu Sulamith(Traducere de Petre Solomon)
"Was für ein tragisches Elend, was für eine elende Tragik!"
(Wolf Biermann)
(...) Unter den Bedingungen einer derart tiefen existentiellen Krise erschienen in Heft 2 (Februar) 1970 [sic!] der Bukarester deutschsprachigen Zeitschrift "Neue Literatur" einige Gedichte - darunter befand sich auch Immanuel Weissglas' Gedicht "Er", das damals zum erstenmal veröffentlicht wurde. Ebenso wie das Gedicht "Die Blutfuge" eines anderen Bukowiner Dichters, Moses Rosenkranz, verrieten die Metaphern von Weissglas' "ER" eine verblüffende Ähnlichkeit zu denen aus der "Todesfuge".
(...)
Zeitgenossen, die Celan in jener Zeit noch gesehen haben, berichten, daß der Dichter mit von Besorgnis gezeichnetem Gesicht durch Paris herumirrte - in der Hand soll er ein Heft der "Neuen Literatur" mit sich geführt haben. Auf seinem Arbeitstisch wurde ein Band mit Gedichten von Immanuel Weissglas aufgefunden - es kann sich nur um dasselbe Heft der Bukarester Literaturzeitschrift "Neue Literatur" handeln. In manchen Kreisen wird der Gedanke geäußert, Celan habe eine neue Plagiatsbeschuldigung für möglich gehalten und deshalb befürchtet, daß eine neue unheilvolle Plagiatsaffäre förmlich in der Luft lag - Celan hatte die tiefste innere Erschütterung, die Claire Goll ausgelöst hatte, noch immer frisch in Erinnerung. Zugleich wird vermutet, das dies der Tropfen gewesen sei, der das Glas zum Überlaufen brachte - am 2. Mai 1970 fand man seine Leiche am Ufer der Seine (...)
George Gutu (Univ. Bucuresti): "Paul Celan - zwischen Intertextualität und Plagiat oder interreferentielle Kreativität"
Juxtaposition of Weißglas' poem "Er" and Celan's "Todesfuge"
I. Weißglas
P. Celan
Wir heben Gräber in die Luft (V. 1)
Wir schaufeln fleißig, und die andern fiedeln (V. 3)
Man schafft ein Grab und fährt im Tanzen fort (V. 4)
daß über diese Därme* dreister der Bogen (...) streicht (V. 6)
Spielt sanft vom Tod, er ist ein deutscher Meister (V. 7)
Und wenn die Dämmrung blutig quillt am Abend (V. 9)
Ein Haus für alle in die Lüfte grabend: ... (V. 11)
... Breit wie der Sarg, schmal wie die Todesstund (V. 12)
Er spielt im Haus mit Schlangen, (...) und dichtet (V. 13)
... mit Schlangen, dräut und... (V. 13)
In Deutschland dämmert es... (V. 14)
... wie Gretchens Haar (V. 14)
Das Grab in Wolken... (V. 15)
... wird nicht eng gerichtet (V. 15)
Da weit der Tod ein deutscher Meister ** war (V. 16)
wir schaufeln ein Grab in den Lüften (V. 4)
stecht tiefer die Spaten ihr einen ihr andern spielt ... zum Tanz auf (V. 19)
... weiter zum Tanz auf (V. 19)
streicht dunkler die Geigen (V. 29)
spielt süßer den Tod der Tod ist ein Meister aus Deutschland ** (V. 28)
der schreibt wenn es dunkelt nach Deutschland... (V. 6)
wir schaufeln ein Grab in den Lüften... (V. 4, 19)
... da liegt man nicht eng (V. 4, 19)
Ein Mann wohnt im Haus der spielt mit den Schlangen der schreibt (V. 5, 15 etc.)
er greift nach dem Eisen im Gurt er schwingts (V. 21)
der schreibt wenn es dunkelt nach Deutschland... (V. 6)
... dein goldenes Haar Margarete (V. 7)
dann habt ihr ein Grab in den Wolken... (V. 30)
... da liegt man nicht eng (V. 30)
der Tod ist ein Meister aus Deutschland ** (V. 28, 32, 34, 39)
* Därme violin strings (lit.: "guts")
** ein deutscher Meister vs. ein Meister aus Deutschland : compare the Romanian translation published prior to the German original, which follows Weißglas' rendering ( un mester german and not un mester din germania ).
Moses (Edmund) Rosenkranz
1904 - 2003
Blutfuge
O Bach von Blut! auf gelbe Bernsteintasten
ergießend sich aus offnen Fingerstummen
so muß ein Herz zu seinem Grabe hasten
durch starkes feierliches OrgelsummenSo muß ein junges Leben Partituren
erfülln mit seinem vollen Herzensschlag
beseelt ertönt durch rote Abendfluren
was stumm im Staube welker Blätter lagWas laut im Feuer keuscher Jünglingsglieder
gerauscht verebbt und geht gemach zur Neige
am Sterbenden vergehn mit ihm die Lieder
ein Celloruf und eine letzte GeigeTot auf den Tasten ruhn die Fingerstummen
die Seele zittert in den Pfeifen nach
durch hohles grabestiefes Orgelbrummen
tropft wieder Jesu Blut: O Blut von Bach !Moses Rosenkranz 1942
... Nun tritt auf dieser tragikomischen Gauckler-Bühne kein geringerer als Theodor W. Adorno, der berühmte Philosoph, Autor der nicht weniger berühmten Schrift "Minima moralia", auf.
Im Besitz der Familie Rosenkranz befindet sich ein Brief von Theodor W. Adorno, in dem sich dieser zu einigen ihm zugeschickten Gedichten von Moses Rosenkranz äußert. Adornos Antwort erfolgte in dem Jahr [1962], in dem Paul Celan seinem Bukarester Freund, dem Schriftsteller Petre Solomon, voller Verzweiflung schrieb: [...]
Um die damals in Umlauf gesetzten Anschuldigungen nicht auch noch selber zu bekräftigen, hält es Adorno für angemessen, den verjagten Dichter Celan in Schutz zu nehmen. Er bittet Rosenkranz, sein Gedicht "Die Blutfuge" nicht in Deutschland erscheinen zu lassen, da er, Adorno, ein guter Freund Celans sei. Und Adorno gesteht kontextuell seinen Briefpartnern folgendes:
"Es ist keine Indiskretion, wenn ich Ihnen sage, daß er in einem überaus labilen Zustande sich befindet ... die Publikation dieses Gedichts, das durch den Titel allein schon an sein eigenes berühmtestes mahnt, könnte ihn in einer Weise treffen, die nicht vorher sich sagen läßt."
George Gutu (Univ. Bucuresti): "Paul Celan - zwischen Intertextualität und Plagiat oder interreferentielle Kreativität"
Klage
So leichenweiß
war kein Schnee wie die Not
kein Ofen so heiß
mein Volk wie dein TodFlogst heißer als Brand
stobst bleicher als Schnee
o Wolke von Weh
mein Volk überm LandKamst nimmer herab
wo soll ich hinknien
ist oben dein Grab
in den Wolken die fliehnMoses Rosenkranz 1942
Rose Ausländer,
née Rosalie Beatrice (Ruth) Scherzer
1901 - 1988
Ins Leben
Nur aus der Trauer Mutterinnigkeit
strömt mir das Vollmaß des Erlebens ein.
Sie speist mich eine lange, trübe Zeit
mit schwarzer Milch und schwerem Wermutwein.Rose Ausländer, first publ.1939 in "Der Regenbogen", Literaria (Czernowitz)
Alfred Gong
b. Alfred Liquornik
1920 - 1981
So stirbt der Mensch
Doch schaut: Sie sterben ohne Bett, ohne Grauhaar,
Sie sterben in der Luft und im Wasser,
zerrissen verschlingt sie die Erde.
Kein Grab verewigt ihren Namen.Sie sterben am Rad und im Ofen, gefesselt,
Fraß der Termiten, vom Sand,
vom Schnee erbarmungslos verbrannt.
Und der Wind weiß nicht ihren Namen.Alfred Gong - first publ.1961 in "Gras und Omega" (?)
David Goldfeld
1904 - 1942
Todeslied
Aus Blut Vergangner kommen wir,
Doch sind wir ohne Erben.
In leere Himmel ragen wir
Und können nicht mehr sterben.Dieses Verströmen in die Zeit
Und dies Hinübergleiten:
Den Leib verlassen wie ein Kleid,
Kann uns nicht mehr geschehen.Wir, deren Gang vom Weg beschwert,
Den wir als Letzte kamen,
Wir werden einst von Gott zerstört,
Wie Dinge ohne Namen.David Goldfeld in Blaueule Leid - Bukowina 1940-1944 - eine Anthologie
Some links of interest:
"Paul Celan - zwischen Intertextualität und Plagiat oder interreferentielle Kreativität" - Prof. George Gutu (Univ. Bucuresti)
"German literature companion: Paul Celan" - Britannica Concise Enceplopedia (pretty exhaustive text)
"Eine Dichtung aus Asche, eine Dichtung der Asche" - Paul Celan und die Bukowiner "littérature mineure" (Axel Schmitt)
"Im Spiegel, dem mein Herz die Wolke war..." - Frühe Gedichte Paul Celans (in G. Gutu, Die Lyrik Paul Celans...)
"Aus dem Beziehungsgeflecht der Czernowitzer Dichter" - Aus dem Nachlass von Rose Ausländer (Helmut Braun)
"Die Füße des Dichters" - W. Biermann to the death of the poet M. Rosenkranz
"In tiefster Hölle beginnt es zu singen" - Der Dichter Moses Rosenkranz (Dieter Schlesak)
"Ein denkendes Herz, das singt " - Rose Ausländers Leben und Dichtung (Peter Rychlo) pdf
On I. Weißglas' anthology "Aschenzeit" - Why is his poem "Er" not included there? etc.
Yvan Goll
b. Isaac Lang in Saint- Dié, German: Sankt Didel
1891 - 1950
Lied der Unbesiegten
Schwarze Milch des Elends
Wir trinken dich
Auf dem Weg ins Schlachthaus
Milch der Finsternis
Man gibt uns Brot
Weh! Es ist aus Staub
Unser Schrei steigt rot
Aus dem Schlachthof auf
In unsrem Höllenwein
Aus der Reben Glut
Aus Schädeln und Bein
Gärt Luzifers Blut
Aus den Augen wächst Klee
Den Mord zu beweinen
Und der Ahnen Armee
Wacht unter den Steinen
Uhu der Dunkelheit
Wird den Racheruf schrein
Wölfe werden die Söhne sein
Reißende Grausamkeit
Schwarze Milch des Elends
Wir trinken dich
Auf dem Gang ins Schlachthaus
Milch der FinsternisYvan Goll - 1942
The well-established non-Bucovinian poet was a fatherly friend to P. Celan in the year of his immigration to France.
After his death, the widow Claire Goll initiated her plagiarism charges against Celan, known as the "Goll Affair".
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